Projekt #8: Birgitta Weimer
25. November 2022 - 05. Februar 2023
DavisKlemmGallery Projektraum, Kirchstraße 4, 65239 Hochheim am Main
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Projekt #8: Birgitta Weimer
Der Sternenhimmel ist täglich von 16 bis 22 Uhr im Projektraum zu sehen.
DIE KÜNSTLERIN
Birgitta Weimer wurde 1956 in Gemünden am Main geboren und studierte bei Sigmar Polke, Kai Sudeck und Ulrich Rückriem in Hamburg an der Hochschule für bildende Künste. Seither beschäftigt sie sich mit Strukturen, die sie auf fast naturwissenschaftliche Weise untersucht. Regelmäßig werden ihre Arbeiten in Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland und international gezeigt, unter anderem im Osthausmuseum in Hagen (2017), im Kunstmuseum Linz, Österreich (2017), im Milwaukee Institute of Art and Design, USA (2011) und im arp museum in Remagen (2011). Ihre Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten, unter anderem des Museums Ritter, Waldenbuch, der Sammlung des Bundes von Werken der Kunst nach 1945, Berlin, und in der Sammlung der Stiftung Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg. Sie lebt und arbeitet in Köln.
DAS MATERIAL
Epoxidharz und Lichttechnik. Als „Bronze der Neuzeit“ bezeichnet Birgitta Weimer Epoxidharz, das in vielen Bereichen verwendet wird: Bodenversiegelung, Schiffsbau oder Modellbau zum Beispiel. Von Künstlern wird es gerne für kleinformatige Editionen verwendet. Die Messier-Objekte sind jedoch keine Editionen, da jedes als Unikat eine andere Sternenkarte abbildet. Trotzdem ist die Ellipsoid-Form der Messier-Objekte gleich: So kann dieselbe Gussform verwendet werden. Von innen sind die Objekte hell, damit kein Licht absorbiert wird. Die Lichttechnik innen ist wasserdicht und besteht aus Halogen-Metalldampflampen, die auf 240 Volt gedimmt sind – normalerweise werden diese für die Beleuchtung von Schaufenstern benutzt, ein Zweck, dem sie hier im Hochheimer Projektraum indirekt wieder dienen.
DIE HERSTELLUNG
Die sehr präzise gearbeiteten Messier-Objekte von Birgitta Weimer sind ästhetisch ansprechend und „einfach schön“. Sie beziehen sich auf die Arbeiten des französischen Astronomen Charles Messier (1730-1817), der mit seinen Sternenkarten – dem „Messier-Katalog“ – die Grundlage für die systematische Erforschung von Galaxien, Nebeln und Sternenhaufen geschaffen hat. Die Benennung „Messier“ oder „M“ mit einer Zahl als Zusatz zur Benennung von Sternenbilder hat sich bis heute erhalten. Birgitta Weimer verwendet hochauflösende, professionelle Sternenkarten, die auf Papier geplottet werden. Davon ausgehend werden die abgebildeten Sterne auf das Epoxidharz „durchgestochen“, um die Sternenkarte auf dem Objekt und dann später im Raum entstehen zu lassen..
DIE EINFLÜSSE
In vielen anderen Arbeiten beschäftigt sich Birgitta Weimer mit Mikrostrukturen, die sie in riesigen Dimensionen darstellt. In diesem Fall ist es genau andersherum: Etwas unermesslich Großes – der Sternenhimmel – wird zusammengeschrumpft und auf Raumformat gebracht. Mit 90 cm Durchmesser und 45 cm Höhe passt ein ganzer Sternenhimmel bequem in den Kofferraum eines Autos. In der Betrachtung dieser Makro- und Mikrostrukturen übernimmt und behandelt die Künstlerin wissenschaftliche Thematiken. Obwohl sie wissenschaftlich korrekt arbeitet und ungreifbare Dinge greifbar macht, behält sie doch den mystischen Charakter dieser wissenschaftlichen Ordnung im universellen Chaos bei.
DIE INSTALLATION
Lichtinstallationen sind immer faszinierend. Licht zieht Menschen an, kreiert Aufmerksamkeit und ist doch nicht greifbar. Schon farbige Kirchenfenster – eine Art mittelalterliche Lichtinstallation – wurden als Repräsentation des himmlischen Jerusalems gesehen: etwas Unfassbares wurde in einem „unanfassbaren“ Medium dargestellt. So funktionieren auch Weimers Messier-Objekte. Unfassbar ferne und räumlich große Zusammenhänge werden im Medium des Lichts nahegebracht. Dabei ist nicht nur die Lampe mit Umhüllung – das „Fassbare“ – die Installation, sondern vor allem die Lichtflecken, die dadurch erzeugt werden: auf Wänden, Decken, Boden und zufällig vorbeigehenden Menschen, die zur Projektionsfläche von Messiers Sternenkarte werden.
DER RAUM
Der 20 m² große Raum, in dem früher Stifte und Schulhefte verkauft wurden, steht nun Künstler*innen der DavisKlemmGallery zur Gestaltung zur Verfügung. Statt regelmäßiger, aber begrenzter Öffnungszeiten, ist der Raum rund um die Uhr zu besichtigen: Durch die große Fensterfront ist der komplette Raum und damit das jeweilige Projekt ständig einsehbar. So werden hier wechselnde Projekte, Installationen, Kunstwerke und Künstler zu entdecken sein. Die aktuelle Präsentation wird bis 5. Februar 2023 zu sehen sein.
Projekt #7: Gierlach / Finneran
01. September - 20. November 2022
DavisKlemmGallery Projektraum, Kirchstraße 4, 65239 Hochheim am Main
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Projekt #7: Katharina Gierlach und Bean Finneran
DIE KÜNSTLERINNEN
Katharina Gierlach und Bean Finneran sind sich nicht in vielen Punkten ähnlich: Bean Finneran wurde 1947 in Cleveland, Ohio, geboren. Sie beschäftigt sich neben der bildenden Kunst auch mit Theater. Ihre Installationen sind ungegenständlich und bestehen aus hunderten oder gar tausenden von Einzelteilen. Katharina Gierlach wurde hingegen 1983 in Würzburg geboren und beschäftigt sich seit ihrem Studium der Malerei – u.a. als Meisterschülerin von Ottmar Hörl – vor allem mit gegenständlicher Ölmalerei. Gemeinsam ist den beiden Künstlerinnen jedoch die farbige Energie, die ihre Werke ausstrahlen: leuchtende Farben und raumgreifende Objekte füllen mit wenig Masse einen gesamten Raum.
DAS MATERIAL
Ton und Öl. Sehr ursprüngliche Materialien in der Kunst. Obwohl Gierlachs Werke in ihrem plastischen Überschwang an Material in den Raum hineingreifen, bestehen sie nur aus Ölfarbe und Untergrund – Leinwand oder Holz, beides auch sehr klassische Untergründe in der Kunstgeschichte. Während Ölfarbe mit ersten Erwähnungen im 12. Jahrhundert schon auf eine gewisse Tradition zurückblicken kann, kann es doch nicht mit Ton mithalten. Bereits im 7. Jahrtausend vor Christus verwendeten Menschen Ton zur Herstellung von alltäglichen Utensilien. Vielleicht ist es gerade diese Geschichte der Materialien, die eine Vertrautheit auslöst, ein Wiedererkennen, obwohl die Formensprache beider Künstlerinnen im 21. Jahrhundert zuhause ist.
DIE HERSTELLUNG
Schicht um Schicht. Katharina Gierlachs plastische Ölmalerei erfordert sehr viel Material. Ihre gegenständlichen Werke erarbeitet sie normalerweise von Fotos aus. Mit der Kamera fängt sie Motive ein, die sie später in ihre lebendige Ölform überführt. Ausnahme ist in dieser Präsentation das Werk „Wald“, das direkt in der Natur entstanden ist. Genauso langwierig wie die Detailarbeit von Gierlachs Werken ist die Herstellung von Bean Finnerans „Cones“: Stab für Stab. Jede einzelne „curve“ – so bezeichnet die Künstlerin die Stäbe auf Grund ihrer Biegungen - wird in Handarbeit gefertigt und bemalt. Und damit nicht genug: auch jede einzelne der Installationen wird mit den Händen Stück für Stück zusammengesetzt. So ist nicht nur jeder Stab einzigartig, sondern auch jede neu aufgebaute Installation ist anders.
DIE EINFLÜSSE
Die ersten Einzelblüten von Katharina Gierlach waren Seerosen – ein Motiv, das nicht ohne Claude Monet zu denken ist. Von Löwenzahn über Wälder kam die Oberpfälzerin zu wilden Orchideen rund um ihre Heimat Winklarn, die vom Aussterben bedroht sind. Mit der Idee im Kopf, dass das Gute oft nicht so fern liegt, entdeckte sie weitere Inspiration in der Nähe ihrer Wahlheimat Köln am Flughafen Köln-Bonn. Sie schaffte Portraits von Blumen, die in ihrer Farbenvielfalt und Ursprünglichkeit vielleicht schon bald Geschichte sein könnten. Auch Bean Finneran wird durch die Natur inspiriert. Inmitten einer Salzwiese lebend, übersetzt sie ihre Natureindrücke in Kunst: ein Gesamtwerk aus vielen Einzelstücken. Anstatt das Motiv direkt in die Kunst zu übertragen oder nachzuahmen, interpretiert sie vielmehr ihr Verständnis der Natur als wiederholendes Konzept. Wie Gras und Blätter über Jahreszeiten und Jahre hinweg zerfallen und neu wachsen, reflektieren ihre Installationen aus Einzelelementen bei jedem Auf- und Abbau den Kreislauf des natürlichen Entstehens und Vergehens. Zugleich wird auch auf das Individuelle im Wiederholten verwiesen. Jeder Aufbau ihrer Skulpturen entsteht individuell Stück für Stück und doch immer aus den gleichen Elementen.
DIE INSTALLATION
Blüten und Wälder an den Wänden, amorphe Kunstgewächse auf dem Boden. Der Projektraum von Katharina Gierlach und Bean Finneran wird durch die Natur zurückerobert. Während der Herbst die Natur draußen langsam wieder auf den Winterschlaf vorbereitet, leuchtet der Raum hier voller Farbe und Pflanzenpracht. Obwohl auf so vielen Ebenen unterschiedlich – nicht zuletzt können die Installationen Finnerans nicht zwingend auf eine Interpretation als Pflanze reduziert werden – strahlen sie doch gemeinsam in den Raum hinein.
DER RAUM
Der 20 m² große Raum, in dem früher Stifte und Schulhefte verkauft wurden, steht nun Künstler*innen der DavisKlemmGallery zur Gestaltung zur Verfügung. Statt regelmäßiger, aber begrenzter Öffnungszeiten, ist der Raum rund um die Uhr zu besichtigen: Durch die große Fensterfront ist der komplette Raum und damit das jeweilige Projekt ständig einsehbar. So werden hier wechselnde Projekte, Installationen, Kunstwerke und Künstler zu entdecken sein. Die aktuelle Präsentation wird bis 20. November 2022 zu sehen sein.
Projekt #6: Ulrich Schreiber
10. Juni - 28. August 2022
DavisKlemmGallery Projektraum, Kirchstraße 4, 65239 Hochheim am Main
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Projekt #6: Ulrich Schreiber
DAS MATERIAL
Voluminös und dennoch fragil wirken die Skulpturen von Ulrich Schreiber. Das Material Draht ermöglicht sowohl Leichtigkeit als auch Stabilität. Schreiber verwendet den Draht wie einen Bleistiftstrich im Raum. Eine besondere Möglichkeit und Herausforderung zugleich – sowohl für den Künstler als auch für den Betrachter – ist die Überlagerung der Linien. Striche, die in einer Zeichnung nicht sichtbar sind, weil sie die Rückseite des dargestellten Objekts umreißen, sind hier klar sichtbar. So überlagern sich Vorder- und Rückseite und bilden je nach Perspektive neue Zusammenhänge.
DER KÜNSTLER
Ulrich Schreiber (*1960) wollte ursprünglich Grafik und Design studieren. Und Grafiker ist er irgendwie auch geworden, nur zeichnet er mit Draht statt mit dem Stift. Im dreidimensionalen Raum statt auf dem zweidimensionalen Papier. Geprägt hat ihn das Studium im Mainz. Dort studierte er zunächst Kunsterziehung, später freie Kunst an der Johannes-Gutenberg-Universität. In der Metallklasse von Professor Ullrich Hellmann wurde er inspiriert, mit stabilerem Material als dem Bleistiftstrich zu arbeiten. Neben dem Salzburgstipendium der Stadt Mainz und dem Albert-Haueisen-Förderpreis prägten ihn vor allem zwei Burgund-Reisestipendien des Landes Rheinland-Pfalz. Mitte der 1990er Jahre begann er auch in Burgund zu arbeiten, wo er in einem Hof ein zweites Atelier eingerichtet hat. Er lebt und arbeitet seither in Mainz und Burgund, Frankreich.
DIE HERSTELLUNG
In seinen freien Arbeiten verwendet Ulrich Schreiber den Draht tatsächlich wie eine Bleistiftzeichnung. Sein Atelier wirkt daher eher wie eine Metallwerkstatt mit allen notwendigen Werkzeugen und Materialien, um Arbeiten aus Eisen in Form von Drähten, Stäben, Rohren und Blechen herstellen zu können. Dabei spielt - anders als bei einer Zeichnung - in der Dreidimensionalität die Statik eine große Rolle.
DIE EINFLÜSSE
Seine Ideen findet Ulrich Schreiber oft im Alltag, oft auch in Dingen, zu denen er keinen persönlichen Bezug hat. Seine Wohnwagen und Hochsitze spiegeln nicht etwa seine bevorzugte Lebenswelt wider, sondern drücken eher eine distanzierte Faszination für Objekte aus, deren Lebenswelt er nicht nachempfinden kann. Genau wie der Schreibtisch sind es jedoch Objekte, die in verschiedensten Formen und Variationen zu finden sind. Schreiber fängt ihre reduzierte Form ein, die den fast platonischen Charakter eines allumfassenden Typs wiedergibt. Gerade so viele Details werden hinzugefügt, um das Objekt lebendig und erfassbar zu machen. Viele unnötige Aspekte werden weggelassen, um einen reduzierten und gleichzeitig vollständigen Charakter der Dinge zu zeigen. So erinnern seine Drahtzeichnungen im Raum in ihrer Idee an die reduzierten Portraits Pablo Picassos, die mit nur einer Linie den Charakter eines Menschen oder eines Tiers einfangen – bekanntestes Beispiel ist die Friedenstaube.
DIE INSTALLATION
Ein Schreibtisch mit verschiedenen Utensilien, im Hintergrund Aktenordner. Eine Bürosituation. Vor Jahren arbeitete Ulrich Schreiber an einem Schreibtisch für eine Ausstellung, als ihm bewusst wurde, dass dieser Schreibtisch kein allgemeines, unpersönliches Ding ist. Kein Chefsessel sollte davorstehen, von dem aus ein Konzern geleitet wird. Unwillkürlich hatte er den Schreibtisch seines Vaters nachgebildet, wie er ihn aus seiner Erinnerung an dessen Arbeitsplatz als Buchhalter kannte. Zahlenkolonnen und Aktenordner, das Geräusch von Papier und Rechenmaschinen. Passend für den ehemaligen Schreibwarenladen hier in Hochheim, zeichnet er diese Erinnerung in Draht nach. Der schwere Schreibtisch und die Massen an Akten entstehen – wie die Erinnerung – dabei nur im Kopf des Betrachters. Denn das Volumen, das hier dargestellt wird, besteht nur aus dessen Umrissen. Die Spannung zwischen den skizzierten Linien lässt die komplette Einrichtung vor unseren Augen entstehen. Das tatsächliche Objekt ist so leicht, dass eine einzelne Person es problemlos transportieren könnte.
DER RAUM
Der 20 m² große Raum, in dem früher Stifte und Schulhefte verkauft wurden, steht nun Künstler*innen der DavisKlemmGallery zur Gestaltung zur Verfügung. Statt regelmäßiger, aber begrenzter Öffnungszeiten, ist der Raum rund um die Uhr zu besichtigen: Durch die große Fensterfront ist der komplette Raum und damit das jeweilige Projekt ständig einsehbar. So werden hier wechselnde Projekte, Installationen, Kunstwerke und Künstler zu entdecken sein. Die aktuelle Präsentation wird bis 28. August 2022 zu sehen sein.
Projekt #5: Nicole Fehling
08. April - 06. Juni 2022
DavisKlemmGallery Projektraum, Kirchstraße 4, 65239 Hochheim am Main
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Projekt #5: Nicole Fehling
DAS MATERIAL
Papier ist fragil. Es ist leicht zu verarbeiten. Man findet es im Alltag in Verpackungen verschiedenster Form. Als „Wegwerfmaterial“ wird der Wert von Papier in seinem Dasein als Schutz für hochwertige Produkte eher gering bemessen. Die Coronakrise löste jedoch – wie in vielen anderen Bereichen – auch eine „Papierkrise“ aus. Durch die Lieferengpässe wurde deutlich, dass Papier keineswegs ein jederzeit verfügbares Material ist. Die Künstlerin konnte glücklicherweise noch ausreichend viele Bögen des von ihr bevorzugten Papiers in einer Stärke von 130g/m² und genau dem Weißton, der einen Stapel von einfachen Kartons zum Strahlen bringt, besorgen.
DIE KÜNSTLERIN
Nicole Fehling (*1969) studierte Kommunikationsdesign in Wiesbaden und anschließend Bildende Kunst bei Frau Prof. Knoche-Wendel an der Kunsthochschule Mainz. Verschiedene Arbeitsstipendien in Wiesbaden, zuletzt seit 2020 des Künstlervereins Wiesbaden, ermöglichen ihr, sich auf das Thema zu konzentrieren, das sie in allen ihren Arbeiten beschäftigt: Verpackung. Dabei adaptiert sie bekannte Formen und erweitert deren Wirkungsweise durch Reduzierung auf ihre wesentliche Rolle als Papierhülle. Zentrale Aspekte sind zum Beispiel industrielle versus individuelle Herstellungsweise und Spannungsfelder zwischen Ordnung und Chaos, aber auch ganz persönliche Bedeutungen von Verpackungen im Alltag.
DIE HERSTELLUNG
Statt wie ihre Vorbilder aus der Verpackungsindustrie aus der Maschine, entsteht jede einzelne Box in Handarbeit. Nicht nur das Falten, sondern auch das Ausschneiden aus den Papierbögen übernimmt die Künstlerin selbst. Warum? Weil eine Maschine nicht genau die Perfektion erreicht, die die Künstlerin mit der Hand erreichen kann. Weil das routinierte Arbeiten eine meditative Monotonie auslöst, die aus der Masse an gleichen Produkten eine Reihe von Einzelobjekten macht. Der Gegensatz zwischen perfekter Serienherstellung und individuellem Objekt erzeugt Spannung. Der Automatismus unseres alltäglichen Konsums, der eine Installation mit fünf Kartons ähnlich betrachtet wie eine aus 500 Kartons, wird in Frage gestellt. Brauchen wir tatsächlich die 495 Kartons mehr? Eine durch Online-Shops bewusst ausgelöste oder auch krisenbedingten Mangel entstandene Gier nach mehr, wird mit Blick auf eine aufwendige Herstellung als unnötig und unreflektiert enttarnt.
DIE EINFLÜSSE
Verpackungen sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Spätestens seit der Überhöhung von Konsumprodukten in der Pop-Art durch beispielweise Andy Warhol sind Verpackungen auch in der Kunst relevant. Statt die Werbeästhetik zu übernehmen, reduziert Nicole Fehling Verpackungen auf ihre reine äußere Form. Diese leere Hülle verliert den prestigeträchtigen Charakter, den vielleicht ein Chanel-Zeichen auslöst. Ihre Vorliebe für ein als billig empfundenes Material wie Papier, stellt Fehling sogar gedanklich, wenn auch nicht ästhetisch in eine Arte Povera Tradition, die den Materialwert ihrer Objekte so niedrig wie möglich hält. In dem Spannungsfeld zwischen Überhöhung in Form und Herstellung einerseits und günstigem Wegwerfmaterial ohne Aufdruck andererseits bewegt sich auch diese Installation.
DIE INSTALLATION
Leere Kartons stapeln sich fast bis zur Decke. Die sich auftürmenden Papierhüllen scheinen einen Überfluss an Material darzustellen. Doch ohne Inhalt werden die Türme sogar noch fragiler. Ein Windstoß kann sie umwerfen. Die Form dieser Kartons ist durch die Coronakrise seltsam vertraut: die Verpackung von OP-Masken in 50er-Packs findet man nicht nur im beim Arzt oder in öffentlichen Einrichtungen, sondern auch in Supermärkten und sogar zuhause sind sie ein vertrauter Anblick geworden. Aus dem Mangel zu Beginn der Ausbreitung des Virus wurde inzwischen ein Überfluss, der sich in weggeworfenen oder verlorenen Masken am Straßenrand bemerkbar macht. Nicole Fehring führt uns vor Augen, wie die letzten zwei Jahre nicht nur unser Konsumverhalten beeinflusst haben, sondern auch unsere Sehgewohnheiten.
DER RAUM
Der 20 m² große Raum, in dem früher Stifte und Schulhefte verkauft wurden, steht nun Künstler*innen der DavisKlemmGallery zur Gestaltung zur Verfügung. Statt regelmäßiger, aber begrenzter Öffnungszeiten, ist der Raum rund um die Uhr zu besichtigen: Durch die große Fensterfront ist der komplette Raum und damit das jeweilige Projekt ständig einsehbar. So werden hier wechselnde Projekte, Installationen, Kunstwerke und Künstler zu entdecken sein. Die aktuelle Präsentation wird bis 6. Juni 2022 zu sehen sein.
Projekt #4: Mario Hergueta
28. Januar - 03. April 2022
DavisKlemmGallery Projektraum, Kirchstraße 4, 65239 Hochheim am Main
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Projekt #4: Mario Hergueta
DAS MATERIAL
Acryl auf Leinwand. Mario Hergueta wählt ein sehr klassisches Material. Dadurch wird der Gegensatz zu den digital generierten und digital wirkenden Motiven größer. Schon das Material verweist auf die heutige Position von Künstlern zwischen digitalen Möglichkeiten und Einflüssen und analoger Kunstgeschichte. Mancher Betrachter ist mehr an den Anblick eines Bildschirms als an die Betrachtung eines Gemäldes gewöhnt. Wenn es aber um Kunst geht, erwarten die meisten eine Leinwand statt eines Bildschirms. Oder?
DER KÜNSTLER
Mario Hergueta studierte von 1988 bis 1995 Kunstgeschichte und Bildende Kunst in Frankfurt und Mainz und war Meisterschüler in der Bildhauerklasse von Prof. Ansgar Nierhoff an der heutigen Kunsthochschule Mainz. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit den Möglichkeiten und Brüchen zwischen Medien. Malerei, Druck, Skulpturen, Wandmalereien sowie Videoinstallationen finden sich unter seinen Arbeiten.
DIE HERSTELLUNG
Ausgangspunkt für die Arbeiten ist ein Zufallsgenerator, eine frühere Arbeit, die Mario Hergueta 1997 schuf. Der Satzgenerator „Stop Making Sense“ baut aus einer Datenbank von Wörtern zufällige Sätze, die nur selten Sinn ergeben (siehe www.stopmakingsense.hergueta.org ). Die Übersetzung aus der digitalen in die analoge Welt übernimmt er selbst: aus den zufällig erstellten Sätzen mit entsprechend zufälligem Schriftbild, Schriftfarbe und Hintergrundfarbe wählt er aus. Die gedruckten und auf Keilrahmen gezogenen Werke bearbeitet er mit Acrylpaste, wodurch ein Pinselduktus entsteht wie man ihn von „richtiger Kunst“ erwartet. Genau mit diesen Erwartungen und Fragen spielt Hergueta: Was ist Kunst? Was ist ein kreativer Prozess?
DIE EINFLÜSSE
Was ist Kunst? Das ist eine der ältesten Fragen der Kunstgeschichte. Sie ist heute mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz nicht leichter zu beantworten. Wo sind die Grenzen? Was kann eine Maschine übernehmen? Insbesondere der kreative Prozess wird dem Menschen allein zugeschrieben. Wenn ein Werk halb von einer Maschine erstellt wurde, bleibt der kreative Anteil dann allein beim Menschen, wenn er bestimmte Werke auswählt? Hergueta beruft sich auf Marcel Duchamp, der bereits Anfang des 20. Jahrhunderts durch seine eigene Entscheidung einen Flaschentrockner zum Kunstwerk deklarierte.
DIE INSTALLATION
Während Kunst in den letzten anderthalb Jahren häufig nur über einen Bildschirm digital wahrgenommen wurde, erstellt Mario Hergueta ein analoges Display. Dieser „Bildschirm“, also das Schaufenster, gibt den Einblick in einen Raum, in dem Digitales in die reale Welt übergetreten ist. Der Raum ist überfüllt mit wirren Sätzen, Farbeindrücken und Schriftbildern. Und bildet damit nur den Bruchteil eines wirklichen Bildschirms ab. Hergueta trifft eine kleine Auswahl aus der unendlichen Vielfalt. Damit gibt er seine Antwort auf die Frage nach kreativen Prozessen und der Rolle des Künstlers: er wählt aus und erschafft durch seine Wahl Kunst.
DER RAUM
Der 20 m² große Raum, in dem früher Stifte und Schulhefte verkauft wurden, steht nun Künstler*innen der DavisKlemmGallery zur Gestaltung zur Verfügung. Statt regelmäßiger, aber begrenzter Öffnungszeiten, ist der Raum rund um die Uhr zu besichtigen: Durch die große Fensterfront ist der komplette Raum und damit das jeweilige Projekt ständig einsehbar. So werden hier wechselnde Projekte, Installationen, Kunstwerke und Künstler zu entdecken sein. Die aktuelle Präsentation wird bis 3. April 2022 zu sehen sein.